Geschichte

Das Theater Willy Praml

Seit über dreißig Jahren (seit 1991) gibt es das THEATER WILLY PRAML nun schon in Frankfurt am Main. Ursprünglich an wechselnden, oft auch – den jeweiligen Stoffen entsprechend – an theaterfremden Orten produzierend, und seit dem Jahr 2000 schließlich an einen Ort gebunden: an die Frankfurter Naxoshalle.Hier hat der Unternehmer Julius Pfungst im Jahr 1871 den Grundstein für eine der bedeutenden Frankfurter Industrieproduktionsstätten gelegt, die Firma NAXOS-Union. Herstellerin des weltberühmten Schmirgelpapiers. Den Rohstoff dafür ließ er von der gleichnamigen Ägäisinsel Naxos nach Frankfurt transportieren. Später kam die Produktion von Präzisions-Schleifmaschinen hinzu, die den endgültigen Weltruhm des Unternehmens besiegelte. 1989 wurde die Produktion in Frankfurt eingestellt.

Als wir im Jahr 2000 begannen, unsere ursprünglich nomadenhaft angelegte Theaterarbeit auf diesen Ort zu konzentrieren, da war die Industriebrache – im bevölkerungsreichen Stadtteildreieck Bornheim / Nordend / Ostend gelegen – schon zu einer Art „Bronx“ verkommen. Seither haben wir Theaterleute uns bemüht, dieses bedeutende Relikt der industriellen Revolution als Ressource für neue produktive Möglichkeiten künstlerischer und kultureller Produktion zu nutzen, auszubauen und weiter zu entwickeln. Über zehn Jahre lang war die Halle, und damit auch unser Theater, eingebettet in die Landschaft des seit 1989 stillgelegten Industrieareals. Seit Ende 2010 wird hier abgerissen – nur das Kernensemble: die denkmalgeschützte ehemalige große Maschinenhalle, das Verwaltungsgebäude und das Heizkraftwerk sind erhalten geblieben. Aber es wird auch wiederaufgebaut. Ein neuer Stadtteil entsteht: Wohnungen zum freien Verkauf und im genossenschaftlichen Verbund – wie auch Einrichtungen für Künstler, Kinder und andere, soziale Aktivitäten – werden hier für die Entfaltung neuen Lebens sorgen. Ein ehemaliges Industrieareal kann nun mit gegenwärtiger Kunst und Kultur zu einem Spiegel ungefilterten städtischen Lebens, zum Laboratorium der POLIS, werden.

Die heutige Spielstätte des THEATER WILLY PRAML wurde im Jahr 2010 aus Mitteln des städtischen Etats verkehrssichernd saniert; aus dem über Jahre gewachsenen Provisorium wurde und wird ein Veranstaltungsort, der neben dem Theater immer auch ein Podium für Kino, Musik und kulturelle Aktivitäten vielfältiger Inhalte und Formate war und bleiben will.

Über 120 Jahre lang wurde an diesem Ort gemischt, geschliffen, gepresst, gehärtet und gedreht. Seit dem Jahr 2000 schleifen und feilen wir Theaterleute an diesem Ort an Texten, Stoffen und Mythen unserer Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

Die Rauheit des Ortes ist unser Programm.

Der Ort hat dem Theater seinen Stempel aufgedrückt, und das Theater dem Ort. Entstanden sind seither großräumige, von der Geschichte, den räumlichen Entfaltungsmöglichkeiten und dem vormaligen Geist der Arbeit geprägte Inszenierungen. Und prägende Eindrücke für die eigene Weltwahrnehmung, die Sie aus diesem Ort – der Geschichte und Gegenwart zugleich ist – beziehen können.

Zu den Wurzel des Theater

Das THEATER WILLY PRAML ist ein zu hundert Prozent aus den Wurzeln freier Theaterarbeit hervorgegangenes, ihren Intentionen verpflichtetes und von der Kontinuität dieserart Erfahrungen gespeistes Theater. In einer in vier Jahrzehnten entwickelten Traditionskette von Arbeit (seit 1968ff) fließen in ihm so unterschiedliche Strömungen zusammen wie die

  • eines Theaters der emanzipatorischen, politischen Bildungsarbeit (60er/70er Jahre), das mit unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen entwickelt wurde und als „Lehrlingstheater“, „Theater mit Gastarbeiterjugendlichen“ und „Theaterprojekte im Rahmen von internationalen Austauschen“ einen Namen gefunden hat;
  • einer Projekte-Arbeit an den unterschiedlichsten Brennpunkten zeitgeschichtlicher und historischer, gesellschaftlicher Fragestellungen (seit den 80er Jahren), z.B. die Entwicklung neuer Theaterformen in hessischen Dörfern, aufbauend auf den verstreuten und größtenteils verschütteten Elementen traditioneller Volkskultur, das unter dem Namen „Theater im Dorf/ Dorftheater als Welttheater“ überregionale Ausstrahlung erfahren hat; und
  • eines experimentellen, den Möglichkeiten der modernen Kunst ebenso verpflichtetes wie die tradierten Formen der darstellenden Künste nutzendes, Theaters (seit 1990), das, auf der Verarbeitung der großen Mythen, Stoffe und Texte unserer Kulturgeschichte basierend, mit dem Verständnis von Theater als Raum-, Körper- und Sprach-Theater sich um eine neue Sicht auf die Klassiker der Vergangenheit und Gegenwart bemüht.

Mit der Anbindung dieser in Zeit und Raum entwickelten und gewachsenen Theaterarbeit an einen festen Ort, der denkmalgeschützten, architektonisch bemerkenswerten und ästhetisch herausfordernden Frankfurter Naxoshalle (seit 2000), sind dem THEATER WILLY PRAML neue Möglichkeiten, aber auch zusätzliche Aufgaben zugewachsen, die Veränderungen in organisatorischer, personeller und künstlerischer Hinsicht nach sich ziehen. Die Lage des Theaters an der Schnittstelle dreier bevölkerungsreicher Stadteile, das Aufgreifen und Aufbereiten von wichtigen Themen aus der vor Ort aufgefundenen Geschichte, die Zusammenarbeit mit anderen Künstlern und Künsten aus dem Bereich des modernen Tanztheaters, der experimentellen Musik-Club-Kultur und der Architektur, die Einbeziehung unterschiedlichster Bevölkerungsmilieus in thematisch geeignete Theaterprojekte, sowie das Experimentieren mit Stoffen, Formen und der Sprache haben die Konturen der Arbeit dieses Theaters entscheidend geprägt.

Die Arbeit mit Schülern und Jugendlichen – oft eingebunden sowohl in die regelhafte Schularbeit und in den Unterricht, vor allem aber als Projektarbeit zusätzlich zur Schule durchgeführt und unterstützt durch das künstlerisch-ästhetische Know-How eines professionellen Theaterensembles wird durch eine Reihe von Projekten stetig aufrecht erhalten und ergänzt den professionellen Spielplan des THEATER WILLY PRAML.

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