Carl Sternheim. Die HOSE / Der SNOB / 1913 (2015)

Premiere:

21.03.2015

Von der Hose über die Krawatte zum Stahlhelm

Aus dem bürgerlichen Heldenleben: Sternheims Trilogie Die HOSE. Der SNOB. 1913

Am Anfang fällt die Hose – am Ende fallen 17 Millionen Menschen in einem ersten Welt- genannten – Krieg. Dazwischen steigt so gut wie alles ins Ungeheuerliche. Sternheims zu einer Trilogie zusammengefasste Stückefolge „Hose / Snob / 1913“, die er in seinen visionär-sarkastischen Zyklus „Aus dem bürgerlichen Heldenleben“ einordnete, führt uns den unaufhaltsamen Aufstieg der Familie Maske – von ganz unten nach ganz oben – vor. Komödien? Nein! Oder doch: tollwütige Komödien! Zum Kaputtlachen? Jedenfalls ist am Ende alles kaputt.

Und das geht so:

1. DIE HOSE

Großer Staatsakt. In Berlin. Der König zieht am Volk vorbei. Luise, Theobald Maskes, des kleinen Beamten junge Frau, verliert die Hose. Die Unterhose versteht sich. In aller Öffentlichkeit. Zuhause bekommt sie Schläge zu spüren. Aus gutbürgerlichem Zorn. Aber das Maleur erweist sich als gelungene Werbekampagne fürs häusliche Zimmer, das Maske zur Aufbesserung seines Beamtengehalts vermieten will. Gleich zwei Beobachter des Hosen–Falls stürmen die Bude, zahlen sogar völlig überteuerte Miete, für je ein halbes Zimmer. Der Hose wegen – natürlich. Theobald im Talerrausch. Luise auf Abwegen. Die vermeintliche Klamotte nimmt ihren Lauf, erfährt ihre Krönung in der Zeugung des Stammhalters. Auch Fortpflanzung muss gerechnet werden

2. DER SNOB

Christian, der Spross der Maske´s, macht Karriere. Rechnet leidenschaftlich, wie der Vater. Jongliert mit so viel Nullen vor dem Komma, dass er Generaldirektor wird. Der Aufstieg führt ins Unhaltbare. Im „Snob“ erschafft sich der Sternheimsche Held aus dem Nichts ganz selbst – tilgt schweißnass Eltern und Ex-Geliebte vom Lebenskonto durch Abfindung – erlernt vor allem den tadellosen Sitz einer Krawatte! Und steigt zum Schluss ins Ehebett der Oberen 10.000. Nackt natürlich, um Gottes Willen, nicht, die Orden klappern ja an seiner Brust, wenn er den Stammbaum bereichert durch die Gründung einer eigenen, jetzt geadelten Dynastie.

3. 1913

Christian Maske, der Großkapitalist – am Tropf und dennoch festgekrallt am Firmenschreibtisch, von dem er nicht lassen und der ihn nicht lassen kann. Die Kinder – degenerierte Gören oder weiterhin skrupellos am Erfolg Operierende, Profiteure allesamt am gescheffelten Reichtum ihrer Vorfahren. Da ist Philipp – Ernst, der Brutto vom Netto nicht unterscheiden, aber trotzdem alles, was er haben will, haben kann – Ottilie, Christians Lieblingstochter, die sich in die idealisierende Revoluzzerwelt des Haussekretärs Wilhelms verstrickt, und Sophie – die eiskalte Geschäftsfrau, die aus dem soliden “Made in Germany” der traditionellen Maske-AG ein global akquirierendes, hypermodernes Massenwaren-Imperium bauen will, in ihrer Skrupellosigkeit sogar den Vater übertrifft. Christian tobt eine letzte Schlacht seines “Bürgerlichen Heldenlebens”. Egal: Die Zeiten ändern sich sowieso. Und gegen alles. „Nach uns Zusammenbruch. Wir sind reif.“ Christians letzen Worte, mit denen er sich aus seinem Zeitalter verabschiedet. TABULA RASA, nach ihm.

Die Presse schrieb:

. . . als sei das Stück ein unendlicher Polterabend . . . und dennoch ist unübersehbar, dass Praml hier die kranken Wurzeln unseres Zeitalters ausmacht . . . und durch die Zuspitzung der klischierten Gesten und abgegriffenen Komödientableaus entstehen jenseits der bei Sternheim ohnehin ausgedünnten Sprache herrlich groteske Szenen. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27. März 2015

. . . die Darsteller entwickeln eine fesselnde, präzise Verbindung aus reduzierter und schlenkender Bewegung . . . Die ganze Überanstrengung aber, der die meisten Theater bei einer Sternheim-Komödie anheimfallen…wird hier entspannt beiseite gelassen . . . Das schaurig Sentimentalische des Bürgerlichen aber bleibt. Frankfurter Rundschau, 23. März 2015

. . . Willy Pramls Ausgrabung erklärt diese „tollwütigen Komödien“ für aktuell im Heute der Krisen und Umbrüche, Schiebereien und Raffgier . . . rundum zertöppertes Geschirr, Kostüme skuril überdreht, Diktion abgehackt durchstoßend wie bei Sternheim. Frankfurter Neue Presse, 23. März 2015

. . . grandios alle Akteure . . . die Naxos-Halle bietet den passenden Spielort. Frankfurter Wochenblatt Nr. 13/2015

Regie

Willy Praml

Räume/Kostüme:
Michael Weber
Darsteller*innen

Reinhold Behling

Jakob Gail

Birgit Heuser

Sam Michelson

Baroon Abdi Mohamud

Katarina Schmidt

Michael Weber

2020-11-04T13:17:45+01:00

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